Diese Woche geht es los: Das ULAB 2x. Für mich persönlich ist das ein heller Wahnsinn das Ganze. Ihr müsst euch das als eine Art digitales Labor vorstellen. Digital, weil es global ist und weil da keine Chemiefläschchen munter vor sich blubbern – und dennoch machen wir so etwas wie wirtschaftliche Wissenschaft und schärfen unser Bewusstsein, so mit Achtsamkeit und so. Weil das nämlich wichtig ist, also dieses Achtsamkeit-Ding. Da kannste als zynischer Zeitgeist ruhig drüber lästern, denn wahrscheinlich bist du noch nie durch den Wald gerannt, ganz allein bei dir selbst und hast auf einmal eine tiefe Einsicht gehabt. Das würde mir dann sehr leid tun für dich, wenn du dich immer von deiner Alltagslogik behindern lässt. Musste echt auch mal fallen lassen! Und dich selbst auch.
Jedenfalls nehmen global insgesamt über 400 Teams teil und alle wollen mit ihren Projekten irgendwas sehr echt und tiefgreifend verändern. Forschen wir? Ja, gewissermaßen machen wir so etwas wie Action Research, man kann es auch Aktionsforschung nennen. Das wurde von einem Typen namens Kurt Lewin begründet, der musste in den 1930ern in die USA flüchten, nachdem die Nazis hier in Deutschland die Macht übernommen hatten. Und wo ging er hin? Nach Massachusetts, dort, wo das MIT ist. Das MIT ist das Massachusetts Institute of Technology und ich zitiere hier gern Wikipedia, um dir den Kern vorzustellen: „Das MIT wurde 1861 gegründet und ist eine private, nicht-konfessionelle Technische Universität, die als erste Chemieingenieure ausbildete und die Wirtschafts-, Sozial- und Geisteswissenschaften in die Ingenieurausbildung einbezog.„
Aha. Ich würde mal sagen: Alles richtig gemacht. Denn dass die Spezialisierung auf immer mehr und mehr Teilbereiche völlig blödsinnig weil praxisuntauglich ist, das haben ja schon die alten Griechen gewusst und sich am liebsten mit allem gleichzeitig beschäftigt. Die Institutionalisierung der Wissenschaft im 19. Jahrhundert ist eh voll nervig, aber ich kann über das 19. Jahrhundert eh nur permanent die Augen rollen. Da ging alles rückwärts, wieder Monarchie eingeführt, die Künstler haben nur das gemacht, was sie schon immer gemacht und und und. Da war man im 18. mit der Aufklärung, diversen Unabhängigkeitserklärungen usw. schon echt weiter. Aber da muss ich wohl nochmal extra drüber schreibend nachdenken.
JEDENFALLS: Es geht beim ULAB im Grunde genommen darum, dass man Hypothesen in der Praxis überprüft und nicht der Wissenschaft in ihrem Elfenbeinturm überlässt, ich meine so das Rumphilosophieren und Grübeln: „Hm, wie könnten wir wohl die Schulbildung verbessern? Ach am besten, wir schicken mal den HiWi los, der recherchiert erstmal eine ganze Weile, dann schreiben wir mal einen schönen wissenschaftlichen Beitrag, den zwar keiner liest, aber ist egal, denn schließlich brauche ich was in meiner Bibliographie-Liste.“ Wer hier die Ironie verstanden hat, weiß, warum ich der Wissenschaft in Reinkultur den Rücken zugewandt habe. Und das trotz Stipendium! An alle Noch-Wissenschaftler da draußen: Habt mich bitte trotzdem gern.
Also hat mir das Schicksal oder sonstwer das ULAB vor die Füße geschmissen. Ich wurde gefragt, ob ich nicht bei einem Team mitmachen wolle, was das Schulsystem ändert. Okay, dachte ich mir, ich bin ja eh grad im Sabbatjahr, ein bißchen verrückt und habe nichts vor, also gehe ich doch mal raus und mache wenigstens ein bißchen soziale Feldforschung, die auch was bringt. Also hoffentlich.
Denn das, was Otto Scharmer – der Begründer des ULAB – am MIT (wir erinnern uns) jahrelang erforscht und warum er dann das Presencing Institute gegründet hat, ist so ziemlich exakt das, worüber ich jahrelang in der Literaturwissenschaft über und durch Robert Musil – der weltbeste Autor und Philosoph, isso – erkannt habe. Nachdem ich meine Doktorarbeit in den Geisteswissenschaften abgebrochen hatte, um die Wissenschaft gegen die Wirtschaft zu tauschen, hatte ich immer das Gefühl: Du bist kein BWL-er, du hast kein Marketing studiert usw. usf. Und jetzt taucht da dieses global angelegte ULAB auf, von dem alle Welt – zu Recht! – schwer begeistert ist und was man gar nicht in zwei Worten zusammen fassen kann, weswegen ich ja das hier die so Witzgig-charmant erkläre.
Er verbindet mit seiner Theory U in der guten Tradition des MIT zwei Welten, konkret: was die Intellektuellen schon seit Jahrhunderten untersuchen und einfach wissen, wird pragmatisch, ich würde sagen: umsetzbar gemacht, um die digitale, aber auch soziale Transformation bewältigen zu können. Vor dem Hintergrund also, dass es meine heimliche Vision ist, die Geisteswissenschaften mit den Ingenieurswissenschaften im allerweitesten Sinn jeweils zu verheiraten, kann ich hier leider nur von einer schicksalhaften Fügung sprechen. Es stimmt also: Du musst nur deiner inneren Weisheit folgen, deinen Weg gehen und du findest das soziale Feld, was du suchst. Definitiv ist hier immer mal wieder auftauchende Gänsehaut angesagt, je mehr ich mich mit beschäftige!